Verfasser: Jürgen Elschenbroich, Am Steinchen 11, 57319 Bad Berleburg, Tel. 02751-5768

Kurzanalyse der volkswirtschaftlichen Nutzung des Rothaargebirges

1. Lage
Das Rothaargebirge gehört in Deutschland zu den wenigen, noch vorhandenen, größeren, zusammenhängenden Waldgebieten, die von menschlichen Eingriffe in die Natur bisher weitgehend verschont geblieben sind. Schon früh hatte dies die Politik erkannt. Mit dem Projekt "Naturpark Rothaargebirge" wurde dieser Großraum folgerichtig unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Weitere Schutzmaßnahmen folgten, wie z. B. die Ausweisung großer FFH Gebiete. Diese Landschaftsschutzmaßnahmen hatten zur Folge, dass die Verkehrserschließung sowie die Ausweisung von Flächen zur gewerblichen und industriellen Nutzung im Großraum Rothaargebirge nur sehr restriktiv und mit vielen Auflagen vorgenommen wurden. Auch die Forstwirtschaft selbst ist von einschneidenden Auflagen betroffen worden. Als Hauptargument wurde stets die besondere Schutzbedürftigkeit des Landschaftsbildes und der Natur ins Feld geführt. Mit der Inkraftsetzung des sogenannten Winderlasses hat sich das bisherige Verhalten der Regierung aber scheinbar geändert.

2. Staatliche Ziele
Soweit für den Bürger erkennbar, verfolgt die Regierung NRW und die Bezirksregierung Arnsberg in Bezug auf die Nutzung des Rothaargebirges folgende Ziele:
a. Erhalten dieses einmaligen Landschaftscharakters und –bildes des Rothaargebirges mit Hilfe der festgelegten Ziele im Gebietsentwicklungsplan. Dieses Ziel wird mit Weitblick auch in Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen verfolgt.
Voraussetzung für das Erreichen dieses Ziels: Untersagung nicht zwingender landschaftlicher Veränderungen. Darunter fällt z. B. die nicht zwingende Nutzung der Windenergie auf schutzwürdigen Flächen.
b. Nutzen des Rothaargebirges zu touristischen Zwecken unter dem Hauptwerbethema "Natur und Erleben" der Deutschen Zentrale für Touristik. Ein Großprojekt ist z. B. der Rothaarsteig, genannt der „ Weg der Sinnen „, der auf dem Kamm des Rothaargebirges entlang führt und Urlauber in die Region führen soll.
Voraussetzung für das Erreichen dieses Ziels: Erhalten einer unzerstörten, ursprünglichen Naturlandschaft, in der Erholungssuchende die nötige Ruhe und Abgeschiedenheit finden können. Kein erholungssuchender Urlauber will seinen Urlaub unter Windrädern verbringen.
c. Nutzen von Flächen und Erhebungen über 500 m im Rothaargebirge mit ausrei chender Windhöffigkeit für die Erzeugung von Energie durch Windkraftanlagen.
Voraussetzung für das Erreichen dieses Ziels: Aufstellung von Windkraftanlagen auf bisher unzerstörten, geschützten Flächen im Naturpark Rothaargebirge.
d. Erforschung und Nutzung des regenerativen Rohstoffs Holz in seiner Vielseitigkeit der Verwendung.
Voraussetzung für das Erreichen dieses Ziels: Entsprechende Schwerpunktbildung und Prioritätensetzung der Politik für den Rohstoff Holz und den Raum Rothaargebirge.

3. Auswirkungen der derzeitigen Politik der Regierung
Für den Außenstehenden besteht der Eindruck, dass die verantwortliche Politik alle Ziele gleichzeitig verfolgt, jedoch mit unterschiedlichen und auch oft wechselnden Prioritäten. Das Motto lautet, was heute gilt, muß nicht unbedingt morgen noch gelten. Mal wird der Landschaftsschutz zum vorrangigen Ziel erklärt dem sich die anderen Ziele unterordnen müssen, mal ist es die Erzeugung von Energie durch Windkraft. Mal versucht man die Tourismuswirtschaft in der Region durch Werbung für eine vom Bild her einmalige Landschaft und unzerstörte Natur voranzubringen, mal soll die Genehmigung von Industrieansiedlung und die notwendige Verkehrserschließung durchgeführt oder verhindert werden. So entsteht keine verlässliche, langfristige Gebietsentwicklungsplanung und so schafft man auch keine vertrauenswürdige Absicherung der Arbeitsplätze. Investoren fehlt die nötige Planungssicherheit. Es entsteht der Eindruck einer Politik der Beliebigkeit und des Populismus. Die wirtschaftliche Entwicklung der Region Rothaargebirge lässt sich so nicht voran bringen. Die weit verbreitete Auffassung in der Bevölkerung, dass politische Parteien primär ihre Interessen durchsetzen wollen aber am Wohl und Wehe der Bevölkerung nur sekundär interessiert sind, wird auf diese Weise eher bestätigt als entkräftet. Die Bürger fühlen sich in den meisten Fällen nur unzulänglich, wenn überhaupt, in die Entscheidungsprozesse die sie betreffen mit einbezogen. Sie sind es aber, welche die Folgen und Auswirkungen der politischen Entscheidungen zu tragen haben, denn sie leben in diesem Raum. So ist es nicht verwunderlich, dass sich nun der Widerstand in der Bevölkerung gegen die Windräder regt, wie es in Wittgenstein die Bewohner von Alertshausen und Hemschlar demonstrierten, die sich fast geschlossen gegen die Aufstellung von Windkrafträdern in der Nähe ihrer Ortschaften wehren. Hemschlar wird dabei von den Einwohnern der Gemeinden Rinthe, Raumland und Berghausen zusätzlich unterstützt. Auch im Schmallenberger Raum regt sich inzwischen starker Widerstand gegen die Windkraftnutzung im Rothaargebirge.

4. Bewertung
Vorstehende Ziele der Regierung widersprechen sich teilweise und stellen so ein breites Konfliktfeld dar. Man kann eine Landschaftsfläche nicht gleichzeitig vor menschlichen Eingriffen schützen und zugleich diesen Eingriff zulassen. Flächen lassen sich eben nur einmal verplanen und nutzen.
Hier ist nun die Politik der Regierung gefordert. Sie ist es, die einen sinn- und maßvollen Interessenabgleich der Ziele, frei von jeglicher ideologischen Denkweise, vornehmen und die Priorität der Zielverfolgung festlegen muß. Für die wirtschaftliche Nutzung des Rothaargebirges sollte die Festlegung der Priorität dieser Ziele im Partei übergreifenden Einvernehmen geschehen, damit die Entscheidung dauerhaften Bestand hat. Die Politik sollte diese Entscheidung mit und nicht gegen die Interessen der Bewohner des Rothaargebirges treffen, die eine über Jahrhunderte gewachsene Beziehung zu der Landschaft ihrer Heimat hat.

5. Empfehlung
Das Ziel der Nutzung der Windenergie im Rothaargebirge sollte zugunsten der anderen Ziele aufgegeben werden. Damit wäre ein wesentlicher Zielkonflikt beseitigt, der Zündstoff für zahlreiche, vorhersehbare gerichtliche Auseinandersetzungen bietet. Nichts zwingt die Politik, diese schutzwürdige Landschaft des Rothaargebirges für die Energieerzeugung durch Windkraft zu nutzen.
Dafür sollte das Rothaargebirge zum Zentrum für die Forschung und Verwertung von Holz in NRW gemacht werden. Es würde mehr Sinn machen den regenerativen Rohstoff Holz in der Forschung und Anwendung zu subventionieren anstatt die Ausbeutung der nicht regenerativen Rohstoffe Stein- und Braunkohle staatlich zu fördern. Mit einer solchen Politik würden diese nicht regenerativen Rohstoffe auch nachfolgenden Generationen noch zur Verfügung stehen.
Viel Abfall-, Schad- und Bruchholz verrottet z. Zt. ungenutzt im Wald. Der letzte Schneebruch mit katastrophalen Auswirkungen auf den Waldbestand des Rothaargebirges liegt nur einen Monat zurück.
Durch moderne Holzverarbeitungs- und Heizanlagen ließe sich dieses Holz einer volkswirtschaftlich sinnvollen Verwertung zuführen. Die Forstwirtschaft würde stabilere Preise für Holz auf dem Markt erhalten. Die Waldbesitzer erhielten einen neuen Absatzmarkt und zusätzliche Einnahmenquellen. Neue Arbeitsplätze könnten entstehen. Das Produkt Holz könnte auf kurzen Wegen der Verarbeitung zugeführt werden, ohne zu zusätzlichen Belastungen des Fernverkehrsnetzes zu führen. Mit der Forschung ließen sich neue Anwendungsgebiete für Holz erschließen. Deutschland gilt generell als rohstoffarmes Land. Das gilt aber nicht für den Rohstoff Holz.
Die Schwerpunktbildung der volkswirtschaftlichen Nutzung des regenerativen Rohstoffs Holz ließe sich im Einklang mit den Zielen des Landschafts- und Naturschutzes, der Tourismuswirtschaft und dem Heimatgefühl der Bevölkerung erreichen. Diese Politik würde von der Bevölkerung getragen und wäre nicht gegen sie gerichtet. Mit dieser Politik würde das Rothaargebirge zugleich seinen gesellschaftspolitischen Beitrag zur Energiepolitik des Landes leisten.

Bad Berleburg, 14. 2.2001

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